Welche Bedeutung haben digitale Technologien für ältere einsame oder sozial isoliert lebende Menschen? Welche Chancen und welche Risiken sind damit verbunden? Diesen Fragen widmete sich der dritte KNE-Salon, der erstmalig in Präsenz im Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik und im Rahmen der „Aktionswoche Älterwerden in Frankfurt“ stattfand.
Das Thema des Abends „Digitale Teilhabe und Einsamkeit im Alter“ berührte gleich drei große Themenkomplexe, die es zusammenzudenken galt. Fachliche und vor allem praxisnahe Inputs zur Diskussion des Themas lieferten Nicola Röhricht von der BAGSO, Hanna Lucassen von der Diakoniestation Frankfurt und Peter Gehweiler vom Frankfurter Verband. Der KNE Salon wurde von Caroline Mitschke moderiert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Kompetenznetz Einsamkeit“ des ISS e.V..
Beim Thema Digitalisierung als gesellschaftliche Transformation wird vor allem der Ruf nach digitaler Teilhabe laut. Nicola Röhricht erörterte in ihrem Impulsvortrag, weshalb digitale Teilhabe auch gesellschaftliche Teilhabe – insbesondere mit Blick auf ältere Menschen – bedeute und dass es hierfür eine digitale Grundversorgung brauche. Gleichzeitig müsse es auch ein Recht auf ein Leben ohne Internet geben – oder ein Recht auf ein „analoges Leben“, wie ein Teilnehmender formulierte, um niemanden auszuschließen.
Um die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen in einer digitalisierten Welt zu stärken, hat die BAGSO die Initiative DigitalPakt Alter ins Leben gerufen. Die Initiative soll einerseits den digitalen Kompetenzerwerb Älterer und andererseits den Zugang zu digitalen Medien und Alltagstechnologien ermöglichen. Im Rahmen des DigitalPakts Alter werden 150 Erfahrungsorte mit passgenauen Lern- und Unterstützungsangebote vor Ort gefördert und begleitet.
„Alter“ kann als konkrete Lebenslage, aber auch als eine der (gesundheits-)politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit betrachtet werden. Welche Anforderungen sich in Zusammenhang mit digitaler Bildung und Teilhabe daraus für die sozialarbeiterische Praxis ergeben, berichtete Peter Gehweiler. Er gab Einblicke in die zahlreichen Angebote des „Cafés Anschluss“ in Frankfurt, die sich an Menschen Ü60 richten und in Einzel- und Gruppensettings – vor Ort – älteren Menschen Unterstützung bei der Nutzung digitaler Technologien anbieten und digitale Kompetenzen vermitteln. Das Café Anschluss ist einer von 150 Erfahrungsorten des DigitalPakts Alter. Interessierte oder hilfesuchende (ältere) Menschen erhalten persönliche (technische) Unterstützung im Quartier, sie können immer wieder kommen oder auch einfach nur einen Kaffee trinken, was insbesondere für einsame Menschen einen wertvollen Kontakt darstellen kann.
Einsamkeit und soziale Isolation stellten den dritten und für den Abend rahmengebenden Themenkomplex dar. Einsamkeit als subjektives Gefühl und soziale Isolation als objektiv feststellbarer Zustand sind Phänomene, von denen immer mehr Menschen betroffen sind – insbesondere ältere Menschen. Hanna Lucassen berichtete von ihren Erfahrungen als Leiterin des Projektes „Gemeinschaft wagen“ – eine Initiative gegen Einsamkeit im Alter. Die Initiative setzt dabei auf aufsuchende Sozialarbeit, ehrenamtliches Engagement und damit auf einen persönlichen „analogen“ Beziehungsaufbau. Die Diakoniestation vermittelt ehrenamtliche, aber geschulte „Wegbegleiter*innen“, die einen einsamen Menschen einmal wöchentlich besuchen. So entstehen soziale Kontakte, die sich zu sozialen Beziehung entwickeln können.
Die vorgestellten Projekte verdeutlichten unterschiedliche Ansätze, wie gesellschaftliche Teilhabe von älteren Menschen mit und ohne die Nutzung digitaler Technologien gefördert oder gar erst wiederhergestellt werden kann. Einig waren sich die Diskutierenden darin, dass digitale Technologien auch für einsame und sozial isoliert lebende Menschen nicht die Lösung „für Alles“ sein können. Digitale Technologien können als „Brücke zur Begegnung“ dienen und dabei unterstützen, soziale Kontakte und Beziehungen aufrechtzuerhalten. Für den Aufbau neuer sozialer Kontakte und Beziehungen brauche es jedoch meist ein persönliches Aufeinandertreffen, ein Kennenlernen von Angesicht zu Angesicht, wozu Projekte wie jenes der Diakoniestation einen wertvollen unterstützenden Beitrag leisten.
Nicola Röhricht ist Projektleiterin der „Geschäftsstelle DigitalPakt Alter“ bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. (BAGSO).
Peter Gehweiler ist Fachbereichsleiter im Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e.V. und leitet das Zentrum Dornbusch, eine Begegnungsstätte des Frankfurter Verbandes. Hier ist auch das erste Internet-Café für die Generation 50+ angesiedelt, das Cafe Anschluss.
Hanna Lucassen ist Projektleitung von „Gemeinschaft wagen“, eine Initiative gegen Einsamkeit im Alter der Diakoniestation Frankfurt am Main.
Über das Format
Die Veranstaltungsreihe der KNE Salons übernimmt im Kontext der Netzwerkarbeit des Kompetenznetz Einsamkeit eine wichtige Rolle. Im Rahmen dieses Formates laden wir Referent*innen ein, die in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zum Thema Einsamkeit arbeiten.
Die KNE Salons orientieren sich an den jährlichen Schwerpunktthemen und behandeln jeweils einen ausgewählten Fokus. Im Jahr 2022 liegt der Schwerpunkt bei „Zivilgesellschaft und Wohlfahrt“.
Dabei richten sich die Salons an alle Interessierten, an Betroffene, an Fachkräfte der sozialen Arbeit, Engagierte, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen sowie Vertreter*innen aus den Wohlfahrtsverbänden und anderen Organisationen. Die KNE Salons bieten damit Raum für Diskussion, interdisziplinären und innerdisziplinären Austausch.